Warum die neutestamentliche Lehre über "Gottes Energie" die Grundwerte von Evangelikalen anspricht

Die letzten acht Jahre hat Christian A. Schwarz den größten Teil seiner Zeit darauf verwandt, der neutestamentlichen Lehre über "Gottes Energie" auf die Spur zu kommen – eine Lehre, die in 2000 Jahren Kirchengeschichte in der westlichen Christenheit bislang nahezu unbekannt geblieben ist. Wenn er heute über seine biblischen Entdeckungen spricht, ist die erste Reaktion häufig die, dass der Begriff "Energie" für evangelikal geprägte Christen nicht nur unverständlich, sondern auch unakzeptabel sei. In diesem Beitrag zeigt er, dass das genaue Gegenteil zutrifft: Insbesondere sind es fünf Kern-Anliegen von Evangelikalen, die von der neutestamentlichen Energielehre befördert werden: Bibeltreue, Priorität von Evangelisation und Mission, Heiligung, lebendiger Glaube und Abgrenzung von Esoterik.

Christian A. Schwarz

Dass derzeit kaum jemand etwas mit dem Stichwort "neutestamentliche Lehre über Gottes Energie" anzufangen weiß, ist mir vollumfänglich bewusst. In den letzten Jahren habe ich einen Großteil meiner Zeit investiert, um drei Dingen auf die Spur zu kommen und in einer 960-seitigen Trilogie über "Gottes Energie" im Kontext darzustellen:

• Erstens, worin dieser Teil der biblischen Lehre exakt besteht—exegetisch, kirchengeschichtlich, systematisch-theologisch, religionsgeschichtlich, praktisch-theologisch.

• Zweitens, warum die neutestamentlichen Aussagen über "Gottes Energie" trotz prominenter biblischer Präsenz niemals Eingang in die westliche Christenheit gefunden haben.

• Drittens, welche atemberaubenden neuen Perspektiven sich erschließen, wenn wir uns auf dieses uns ureigenstes neutestamentliche Erbe einließen, seine Bedeutung begriffen und seine Implikationen praktisch auslebten.

Wenn ich heute fast routinemäßig höre, das Reden von Gottes Energie sei "nicht biblisch", verstehe ich diese Replik zwar durchaus – siehe Punkt 2 –, gehe aber gleichzeitig davon aus, dass sich die Situation in einigen Jahren grundlegend und nachhaltig geändert haben wird. Insbesondere Evangelikale sollten bei diesem Thema hellhörig werden, da die biblische Energielehre einige ihrer wichtigsten Werte unmittelbar anspricht. "Gottes Energie” als ein typisch evangelikales Thema? Es mag überraschend erscheinen – aber genau so ist es. Welches sind fundamentale evangelikale Anliegen, die durch das biblische Energieparadigma bestärkt werden?

1. Bibeltreue

Die evangelikale Bewegung hat stets die Geltung der Heiligen Schrift als wichtigste Autorität in Glaubens- und Lebensfragen betont. Es ist nicht in unser menschliches Belieben gestellt, ob wir die biblischen Maßstäbe ernst nehmen oder nicht. Sie sind für uns verbindlich, auch wenn sie dem jeweiligen Zeitgeist oder liebgewonnenen Gewohnheiten (inklusive als "christlich" betrachteten Gewohnheiten) widersprechen mögen. Dabei legen Evangelikale insbesondere auf fünf Aspekte Wert:

1. Wir müssen es vermeiden, uns unsere Lieblingsverse eklektisch aus der Bibel herauszupicken, während wir Texte, die uns unbequemer erscheinen, ignorieren. Vielmehr müssen wir uns der gesamten biblischen Botschaft stellen.

2. Wir müssen der Versuchung widerstehen, biblischen Aussagen, die uns auf den ersten Blick möglicherweise fremdartig erscheinen, als überholt und nicht mehr relevant wegzuinterpretieren. Vielmehr geht es darum biblische Kernanliegen, auch wenn sie auf Widerstand stoßen mögen, zur Geltung zu bringen.

3. Wir dürfen nicht uns vertraute Übersetzungen der biblischen Texte mit der biblischen Botschaft selbst gleichsetzen, sondern immer bemüht sein, zum Grundtext vorzudringen. Jede Übersetzung ist bereits Interpretation.

4. Wir müssen verstehen, dass geistliche Erneuerungen sich fast immer der Wiederentdeckung von – in der Bibel vorhandenen, aber in der Vergangenheit vernachlässigten – Anliegen verdanken. Es ist verständlich, wenn diese Wiederentdeckungen anfangs auf Widerstand stoßen.

5. Wir müssen besonders kritisch sein, wenn sich kirchliche Vertreter auf ihre Tradition berufen. Eine als "Tradition" deklarierte persönliche Wohlfühlzone darf jedenfalls nicht das einschränken, was die Bibel uns sagen will.

Das neutestamentliche Energie-Paradigma kann als klassischer Testfall gesehen werden, wie ernst es Evangelikale mit ihrer Bibeltreue meinen. Das griechische Neue Testament spricht an 34 Stellen explizit von Gottes Energie, von der Häufigkeit her etwa vergleichbar mit der neutestamentlichen Lehre über christliche "Freiheit". Aufgrund von eingespielten und zum Teil verwirrenden Übersetzungstraditionen sind uns diese Aussagen bis heute nicht vertraut. Die (derzeitige) christliche Wohlfühlzone wird durch die biblische Energielehre eindeutig herausgefordert. Aber – Evangelikale machen nicht den Fehler, sich durch ihre eigene Wohlfühlzone begrenzen zu lassen, was die Bibel sagen darf und was nicht. Sie sind neugierig, die gesamte biblische Botschaft zu erkunden. Das macht sie aus. Gäben sie diese Neugierde auf, wären sie nicht mehr Evangelikale.

2. Priorität von Evangelisation und Mission

Ein Markenzeichen von Evangelikalen ist, dass sie bemüht sind, das, was sie von Gott empfangen haben, an Andere weiterzugeben. Auch wenn in anderen Gruppen der Missionsbefehl ebenfalls eine Rolle spielt – für Evangelikale ist er essentiell, geradezu identitätsstiftend. Dabei legen sie insbesondere auf fünf Aspekte Wert:

1. Sie sind in ihrem evangelistischen Engagement nicht so sehr an Marketingmethoden interessiert, sondern wollen auch in der Methodik biblischen Maßstäben folgen.

2. Sie wollen sichtbar erleben, dass ihre Aktivitäten auch tatsächlich dazu beitragen, dass Menschen Christen werden. Bloße Theorien oder Willensbekundungen überzeugen sie nicht.

3. Sie sind interessiert, mit Nichtchristen ein gemeinsames Terrain zu erkunden, bevor sie zeigen, wie eine christozentrische Interpretation der eigenen Lebenswirklichkeit neue Möglichkeiten erschließt.

4. Insbesondere im Blick auf Evangelisation sind sie offen für überkonfessionelle Zusammenarbeit. Wenn es darum geht, das Evangelium effektiv weiterzusagen, sind sie bereit, von anderen christlichen Gruppen zu lernen.

5. Sie wollen sehen, dass eine Entscheidung für Christus das Leben auch tatsächlich verwandelt. Bloße Lippenbekenntnisse reichen nicht.

Einer der wichtigsten Beiträge des neutestamentliche Energie-Paradigmas in unserer Zeit ist es, dass es neue Möglichkeiten der Evangelisation erschließt. Sowohl Christen als auch Nichtchristen erleben Gottes Energie, aber sie interpretieren sie unterschiedlich. Und auf diese unterschiedliche Interpretation kommt es an. In diesem Bereich kann die westliche Christenheit viel von den Ostkirchen lernen. Gottes Energie enhält einen lebensverändernden Faktor. Energie ist etwas, was darauf drängt, mit Anderen geteilt zu werden, ja, erst im Teilen zu ihrem Ziel gelangt. Gleichwohl ist dieses biblische Konzept in christlichen Kreisen derzeit weitgehend unbekannt. Aber – Evangelikale sind im Blick auf den Missionsbefehl offen, lernbereit, auch korrekturbereit. Insbesondere wenn sich die evangelistische Methodik aus biblischen Quellen speist, sind sie hoch interessiert. Das macht sie aus. Gäben sie dieses Interesse auf, wären sie nicht mehr Evangelikale.

3. Heiligung

Evangelikale betonen mehr als andere Traditionen ethische Maßstäbe. Für sie ist ein Prozess der fortschreitenden Heiligung geradezu ein Synonym für Christsein. Dabei legen sie insbesondere auf fünf Aspekte Wert:

1. Sie wehren sich dagegen, eindeutig sündige Verhaltensweisen unter Berufung auf den Zeitgeist als legitim zu erklären. Menschen mögen immer wieder sündigen, aber das Ziel ist es, sündige Verhaltensmuster zu überwinden.

2. Ziel des geistlichen Wachstums ist es, Christus immer ähnlicher zu werden, buchstäblich "Christus in uns" wachsen zu lassen. Evangelikale sind an der Ausbreitung von Gottes Kraft im Leben der Menschen interessiert.

3. Heiligung ist ein fortschreitender und lebenslanger Prozess. Wir mögen Fort- und Rückschritte erleben, aber insgesamt muss es beständiges geistliches Wachstum geben.

4. Heiligung bedeutet nicht, moralisch perfekt zu sein, sondern eine zunehmend intensivere Gemeinschaft mit Gott zu erleben.

5. Gleichzeitig wehren sich Evangelikale gegen Gesetzlichkeit. Die Umgestaltung des Lebens muss aus eigenem Antrieb und mit Gottes Hilfe erfolgen.

Die neutestamentliche Energielehre ist ein Schlüssel zu einem Leben der Heiligung. Je mehr wir lernen, im Einklang mit unseren gottgegebenen Energiemix zu leben und dieses auf Gottes Ziele zu konzentrieren, desto stärker werden wir in Gottes Ebenbild verwandelt. Die neutestamentliche Energielehre hilft uns, anstatt unsere Energie zu verdrängen, zwischen "Energie" und "Sünde" zu unterscheiden und die Energie so zu kanalisieren, dass es Gottes Absichten entspricht. So geschieht Kampf gegen Sünde nicht aus eigener, sondern aus Gottes Kraft. Das ist ein hilfreicherer Ansatz, als lediglich "Nein" zur Sünde zu sagen. Vielleicht ungewohnte Töne in den Ohren von Evangelikalen. Aber – wenn es um den Kampf gegen Sünde geht, sind Evangelikale überaus bereit, alles zu tun, was biblischen Maßstäben entspricht und Menschen zu einem geheiligten Leben verhilft. Das macht sie aus. Gäben sie diesen Kampf auf, wären sie nicht mehr Evangelikale.

4. Lebendiger Glaube

Im Unterschied zu bloßer "Rechtgläubigkeit" – exemplifiziert zum Beispiel durch die postreformatorische protestantische Orthodoxie – geht es Evangelikalen mehr als nur darum, bestimmte biblische Aussagen für "richtig" zu halten. Besonders den Pietismus durchdringt das Interesse an einem lebendigen Glauben, an einer Transformation des Herzens, an "praxis pietatis". Dabei legen Evangelikale insbesondere auf fünf Aspekte Wert:

1. Sie sind kritisch gegenüber bloßem Namenschristentum. Vielmehr geht es um sichtbare und fortwährende Veränderung des Lebens.

2. Ihnen ist es ein Anliegen, die in der Christenheit eingespielte Dichotomie von Sakralem und Säkularem zu überwinden. Christlicher Glaube soll das gesamte Leben durchdringen.

3. Insbesondere können sie es nur schwer ertragen, wenn sich Menschen zwar verbal auf die Bibel ("sola sciptura") berufen, dann aber doch den Kanon ihrer eigenen Wohlfühlzone dem Kanon der Bibel den Vorzug geben.

4. Evangelikale haben immer betont, dass Glaube "Frucht" tragen müsse, dass er sichtbare Wirkung zeigt. Glaube ist mehr als nur ein verbales Bekenntnis.

5. Lebendiger Glaube ist nicht auf das beschränkt, was einem unmittelbar eingängig erscheint oder was in der Christenheit unumstritten ist. Er ist bereit, sich der biblischen Botschaft in seiner Ganzheit zu stellen – auch wenn es einen hohen Preis kosten mag.

Genau diese Haltung wird gebraucht, um neue biblische Impulse aufzunehmen. Die neutestamentliche Energielehre hilft dabei, Nominalismus in authentische Christus-Hingabe zu verwandeln, die Heilige Schrift Ernst zu nehmen und geistliche Frucht auch tatsächlich zu erleben – auch wenn dieses Bemühen anfänglich auf Widerstände stoßen mag. Aber – wenn es um lebendigen Glauben geht – und wenn die Kriterien lebendigen Glaubens biblisch sind –, dann sind Evangelikale die ersten, die aus ihren Wohlfühlzonen auszutreten bereit sind, um neue Wege zu gehen, die zu diesem Ziel beitragen. Das macht sie aus. Gäben sie diese Leidenschaft auf, wären sie nicht mehr Evangelikale.

5. Abgrenzung von Esoterik

Wenn Evangelikale das Wort "Energie" hören, mögen sie zunächst an Esoterik denken, weil ihnen gar nicht in den Sinn kommt bzw. kommen kann, dass es sich bei dieser Kategorie um ein zentrales biblisches Thema handelt. Für sie ist die Abgrenzung von jeder Form von Esoterik essentiell – zu Recht. Esoterische und okkulte Interpretationen können Menschen von Gott trennen. Dabei legen Evangelikale insbesondere auf fünf Aspekte Wert:

1. Esoterik und Okkultismus sind ernste Probleme, mit denen nicht gespielt werden darf. Die biblischen Aussagen im Blick auf dieses Thema sind eindeutig.

2. Esoterik kann Menschen unmündig halten und zu Unfreiheit führen. Wir benötigen eine Alternative, die Freiheit, Mündigkeit und Verantwortlichkeit kontinuierlich verstärkt.

3. Wir müssen an wirksamen Strategien arbeiten, Esoterik zu überwinden. Kriterium ist nicht, wie sehr wir uns von Esoterik verbal abgrenzen, sondern wie sehr wir tatsächlich dazu beitragen, Menschen für alternative Interpretationen ihrer Erfahrungen zu gewinnen.

4. Menschen, die zum Esoterismus neigen, mögen berechtige Sehnsüchte haben, die der Esoterismus allerdings nicht zu erfüllen vermag. Als Christen müssen wir Alternativen anbieten, die diese Sehnsüchte in konstruktive, christozentrische Bahnen lenken.

5. Wir müssen Menschen dafür entflammen, die biblische Interpretation ihrer Erfahrungen als etwas zu erleben, was den esoterischen Interpretationen überlegen ist.

Das neutestamentliche Energieparadigma bietet ein faszinierendes Konzept, esoterischen Lehren zu begegnen. Viele der Erfahrungen, die Esoterikern wichtig ist, werden aufgegriffen und anerkannt, aber dann uminterpretiert. Diese neue Interpretation beeinflusst dann freilich die Erfahrung, denn Erfahrung ist immer die Kombination aus Erleben und Interpretation. Dies mag ein etwas anderer Umgang mit Esoterik sein, als man es in der Vergangenheit gewohnt war. Aber – wenn es darum geht, esoterische Tendenzen effektiv zu überwinden – und wenn wir diese Strategien sogar in der Bibel selbst lernen können –, dann wären Evangelikale die letzten, die nicht lernbereit wären. Die Reinheit der evangelischen Botschaft ist für sie von essenziellem Interesse. Das macht sie aus. Gäben sie dieses Anliegen auf, wären sie nicht mehr Evangelikale.

In der nächsten Ausgabe: Warum die neutestamentliche Energielehre die Grundwerte von Charismatikern anspricht.

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