De’ignis-Magazin über "Die 3 Farben Deiner Spiritualität"

In seiner jüngsten Ausgabe brachte das de’ignis-Magazin einen signifikanten Beitrag zu den neun geistlichen Stilen. Wir dokumentieren den Beitrag.

"Christliche Spiritualität" – Praktisch-gemeindliche Impulse

Matthias Vogt

Ein besonderes Geschenk im Gemeindealltag und in Beziehungsgeschehen allgemein ist es, wenn wir miteinander entdecken, dass jede(r) sowohl ergänzungsbedürftig ist und die Anderen braucht, als auch ergänzungswürdig, indem Andere ihn/sie als Ergänzung schätzen und erleben dürfen. Auch für den Bereich der "Spiritualität" gilt dieses Prinzip.

Was verstehe ich an dieser Stelle unter "christlicher Spiritualität"? Im Bio-Psycho-Sozial-Spirituellen Modell werden die klassischen drei Bezugsebenen eines Menschen bewusst um die spirituelle Ebene erweitert (vgl. Artikel von Dr. med. Rolf Senst in de’ignis-Magazin Nr. 55, S. 14). Im christlichen Bereich wird dieses "sich von der Transzendenz her begreifen" als Glauben/Vertrauen an Gott/Jesus definiert und in gelebtem Glauben umgesetzt. Christliche Spiritualität betrifft somit die Art des Beziehungsgeschehens zu dem Gott der ganzen Bibel.

Die Zeit der Kirche/Gemeinde ist gekennzeichnet durch die Wirksamkeit des von Gott-Vater und Sohn gesandten Heiligen Geistes und hat somit den geistlichen (spirituellen) Anspruch, von daher auch verstanden zu werden. Kirchengeschichte spiegelt somit die Wachstums- und Entwicklungsphasen der Universalgemeinde Christi wieder und liefert interessante Erkenntnisse über jeweilige geistliche Spiritualitäten und ihre Auswirkungen, die wiederum wertvolle Hilfestellungen für die gegenwärtige Gesamtgemeinde, Lokalgemeinde und auch für das persönliche Leben liefern können. Wie Zahnräder, die miteinander in einer dynamischen Verbindung stehen.

Jede Person ist einzigartig, auch in ihrer Gottesbeziehung. Christian A. Schwarz formuliert: "Folglich ist eine authentische "christliche" Spiritualität dadurch gekennzeichnet, dass sie uns an Christus bindet und uns durch die Kraft des Heiligen Geistes zum Vater führt. Auf dieser Grundlage gibt es jedoch unzählige Wege der Christusbegegnung, die Hans Urs von Balthasar "Spiritualitäten" nennt. Ich bezeichne sie als ,geistliche Stile’."

Christian Schwarz unterscheidet neun unterschiedliche geistliche Stile: sinnlich – rational – rechtgläubig – bibelzentriert – missionarisch – asketisch – enthusiastisch – mystisch – sakramental, die jeweils nicht in Reinform die Spiritualität eines Menschen bilden, aber einen Schwerpunkt, eine "geistliche Beheimatung" (meist in Mischformen) aufzeigen können.

Diese Formen, wie wir ganz persönlich Gott begegnen und mit dieser Beziehung zu ihm umgehen, verändern sich durchaus auch in den unterschiedlichen Lebensphasen. So beobachtete ich vor Jahren, dass plötzlich eine Wiederentdeckung des spirituellen Reichtums der Wüstenväter und der Kontemplation in etwa zeitgleich bei mir selbst und bei Gleichaltrigen, zu denen ich gar keine direkten Berührungspunkte hatte, stattfand. Das signalisierte mir, dass gewisse geistliche Stile oder spirituelle Erfahrungen durchaus auch einen Bezug zum Lebensalter, zur Lebensreife und zu Lebensphasen haben.

Wichtig für jeden persönlich ist es, seine eigene spirituelle Grundstimmung zu kennen, um auf dieser Grundlage, die Teil seiner Persönlichkeit ist, offen für ergänzende Einflüsse anderer Spiritualitäten zu sein. Nur wer einen eigenen Stand hat und darum weiß, welche Art und Weise der Gottesbegegnung ihm am meisten Halt und Sicherheit gibt, ist in der Lage, sich von anderen, manchmal sogar zunächst vielleicht sogar nicht vereinbar scheinenden Spiritualitäten bereichern statt verwirren zu lassen.

So kann z.B. jemand, dessen vertrauter Umgang mit Gott am besten im Lobpreis und der Musik seinen Ausdruck findet, dies als seine Form der Spiritualität wahrnehmen, pflegen und gleichzeitig den Anderen, dessen Zugang am intensivsten über das Erleben des Abendmahls und der gottesdienstlichen, liturgischen Gemeinschaft gelingt, wertschätzen, um voneinander zu lernen. Oftmals stehen wir aber in der Gefahr, unseren eigenen Zugang zu verabsolutieren, statt ihn als den für uns Wesentlichen fröhlich zu leben, aber um seine Ergänzungsbedürftigkeit mit Blick auf das Reich Gottes insgesamt zu wissen. Alle Stile sind ergänzungsbedürftig, weil sie sonst in der Gefahr der Einseitigkeit stehen. Bitte nicht falsch verstehen: zum Lobpreis Gottes sind wir alle aufgefordert, zum Forschen in der Schrift (vgl. Apg. 17,11) allemal etc. Es gibt gemeinsame, unabdingbare Elemente, die allen Stilen grundlegend sind. Aber darüber hinaus gilt es, den Schwerpunkt des jeweiligen Stils zu entdecken. Und so könnten wir alle spirituellen Arten aufzählen und ihre Ergänzungswürdigkeit, aber auch ihre Ergänzungsbedürftigkeit festhalten. Denn – Gott sei Dank – sind wir vielfältige Originale. Gott hat es gefallen, alle Menschen als Ebenbildlichkeiten seiner selbst zu schaffen, und gerade das verbietet die Absolutierung eines Einzelnen als alleiniges Ebenbild.

Ich persönlich profitiere auf diese Weise von Geschwistern, die eher den besinnlichen, meditierenden Zugang zu Gott pflegen und kann ihn teilweise mitgehen und genießen, auch wenn es nicht mein primärer eigener Zugang ist. So bereichert sich mein spirituelles Leben und öffnet mir den Blick über den Tellerrand hinaus. Gleichzeitig hilft es mir, Christus ähnlicher zu werden, denn in Gott sind alle Stile, alle Spiritualitäten angelegt und daher ist er auch die Mitte, auf die hin wir alle uns zubewegen und auf die hin wir uns orientieren.

Da, wo meine Spiritualität das Ziel nicht aus den Augen verliert, nämlich die gelebte Freiheit in Jesus Christus aufgrund seiner Gnade, gewinnt meine Gottesbeziehung an Tiefgang und schätzt gleichzeitig den Anderen, mit seinem jeweiligen Zugang, sofern dieser sich ebenfalls auf Christus hin zentriert. Wir sind somit in einer gemeinsamen Bewegung auf Christus hin, auch wenn unser Ausgangspunkt und unser persönlicher Schwerpunkt unterschiedlich sind und sein dürfen.

Und das gilt – über das Persönliche hinausgehend – auch für Gemeinschaften und Gemeinden. Auch sie sind ergänzungswürdig und ergänzungsbedürftig, denn unsere Gemeinden spiegeln unterschiedliche Gemeindespiritualitäten wieder. Das wird alleine schon deutlich, wenn man man eine katholische Messe mit einem freikirchlichen Gottesdienst einer neugegründeten Gemeinschaft miteinander vergleicht. Für die Gottesbegegnung sind den Gläubigen unterschiedliche Stile wichtig und dennoch, sofern Christus die Mitte ist, auf die hin sich alles zubewegt, spiegeln diese unterschiedlichen Spiritualitäten die Vielfalt und den Reichtum, die Fülle Gottes wieder. Denn es ist der spiritus sanctus/Heilige Geist, der Kirche stiftet und ermöglicht.

Natürlich darf es in einer Gemeinde Personen geben, die unterschiedliche Spiritualitäten pflegen und dadurch den Gemeindealltag bereichern. Aber auch hier gibt es eine Grundspiritualität der jeweiligen Gemeinschaft, die den Gemeindealltag prägt. Differiert diese zu stark von der eigenen Grundspiritualität und engt diese zu sehr ein, entsteht ein Konflikt, weil spirituelle Anliegen nicht entsprechend vorkommen oder aufgegriffen werden (können). Aufgabe der Gemeinschaft kann es dann sein, zu prüfen, inwieweit anderen Spiritualitäten Räume im Gemeindealltag eingeräumt werden können (intern) oder ob dies – die Möglichkeiten der Gruppe überschreitend – als Ergänzung durch andere Gemeinden/Gemeinschaften (extern) wertgeschätzt wird.

Die gesamte Kirchengeschichte bietet uns dazu ein buntes Bild der spirituellen Vielschichtigkeit mit all ihren Möglichkeiten, aber auch Konflikten. Weil alle Gemeinden, aber auch die einzelnen Christen letztlich eingebunden sind in die Gesamtkirchengeschichte, tun wir gut daran, aus ihr zu lernen und wertvolle mahnende, aber auch ermutigende Schlüsse für die eigene und gemeindliche Gottesbegegnung zu ziehen.

Zum Beispiel: Als, über vielen notwendigen Strukturen und Formen, die innerliche Frömmigkeit an Betonung verloren zu haben schien, standen Menschen auf, um dies wieder neu einzufordern und gründeten mönchische Bewegungen. Auch als Einzelperson oder Gemeinde gilt es sich immer wieder die Frage zu stellen, wo Strukturen die Innerlichkeit des Glaubens fördern oder behindern – und umgekehrt natürlich auch.

Auf die wahrgenommene Vernachlässigung der Heiligen Schrift hin, entstanden in reformatorischen Zeiten neben der Übersetzung der Bibel in die Landessprache auch die Wortgottesdienste. Wiederum stellt uns diese kirchengeschichtliche Phase heute vor die persönliche und gemeindliche Herausforderung, welche Bedeutung ein bibelzentrierter Stil im Zusammenhang mit einer traditionellen, enthusiastischen, schöpfungsorientierten oder sakramentalen Spiritualität gewinnen kann und umgekehrt.

Die Heiligungsbewegung mahnte die Konsequenzen eines christlichen Lebens auf Grundlage der Gnade an und forderte, neben einer rein innerlichen Spiritualität, dass sich gelebter Glaube des Einzelnen und der jeweiligen Gemeinschaft auch in Ethik und letztlich damit in der Gesellschaft ausdrücken müsse.

Die Pfingstbewegung hob die Bedeutung des aktuellen Wirkens des Heiligen Geistes neu hervor und es entstanden enthusiastische und charismatische Gottesdienste, die einem unmittelbaren Wirken des Heiligen Geistes und auch Emotionen mehr Raum im Gemeindeerleben einräumten.

So kann man zu allen Zeiten ein Ringen um die Gottesbegegnung, ein Ringen um den Umgang mit Gott wahrnehmen, die auch für unsere Gemeinschaften bzw. Gemeinden heute, aber auch für unser persönliches Leben wertvolle Erfahrungsschätze beinhalten, die es zu bergen gilt. Oftmals als Pendelbewegungen erkennbar, ringt die Christenheit immer wieder darum, die Christusbegegnung aus der Gefahr einer Einseitigkeit, einer Überbetonung eines bestimmten geistlichen Stiles oder Spiritualität zu befreien.

Eine solche Haltung, sofern sie von der Barmherzigkeit gegenüber den Mitchristen und einer Liebe zum ganzen Reich Gottes bestimmt ist, eröffnet neue Perspektiven zur Entdeckung des Reichtums christlicher Spiritualität. In der Praxis der Gemeindearbeit erlebe ich folgende Schritte als hilfreich und wertvoll:

• Die persönliche Verankerung in einem konkreten Frömmigkeitsstil als Eigenidentität entdecken (ergänzungswürdig und ergänzungsbedürftig)

• Ausprägung der eigenen Spiritualität und das Wachsen in der Wahrnehmung des Reichtums anderer christlicher Spiritualitäten/Stile.

• Verortung in einer konkreten christlichen Gemeinschaft (gemeinsame Spiritualität entdecken und leben).

• Einüben einer "Reich Gottes”-Perspektive, die Jesus-zentriert die Vielfalt schätzt und voneinander (persönlich, gemeindlich, kirchengeschichtlich) lernen will.

Matthias Vogt ist Pastor der Missionsgemeinde Weinstadt.

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